Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik

Die WCAG 3.0

Das World Wide Web Consortium im Überblick

Kategorie: Allgemein

Die Digitalisierung der Welt schreitet heute immer weiter voranschreitet und wird zur Bewältigung alltäglicher Aufgaben immer notwendiger. Damit ist das Thema digitaler Barrierefreiheit aktueller denn je. Internationale Standards zur Gestaltung von digitalen Anwendungen gewährleisten alle Menschen freien Zugang zu Informationen von überall. Um dies zu sichern sind die Standards von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen zu beachten. Das World Wide Web Consortium (W3C) ist im Bereich der Barrierefreiheit und der Entwicklung solcher Standards hierfür das wichtigste Organisation.

Das World Wide Web Consortium im Überblick

Das World Wide Web Consortium (W3C)bezeichnet sich selbst als Gemeinschaft aus verschiedenen Organisationen, Unternehmen, festen Mitarbeitenden und allen Personen, die Interesse an der Verbesserung der Zugänglichkeit zum Internet haben. Gegründet wurde das W3C 1994. Timothy Berners-Lee, der Begründer des World Wide Webs ist der derzeitige Vorsitzende des W3Cs.

Die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind der von der W3C erarbeitete bekannteste Standard. Neben den WCAG gibt das W3C ebenfalls weitere Standards, wie die ATAG (Authoring Tool Accessibility Guidelines) oder die UAAG (User Accessibility Guidelines) heraus. Ein vom W3C erarbeiteter Standard besitzt für sich allein keine Rechtskräftigkeit. Von Staaten oder Staatenverbunden können diese Standards in Gesetze überführt werden. In Deutschland geschah dies durch die BITV (Barrierefreie Informationstechnik Verordnung). Die Richtlinien der WCAG entsprechen ebenfalls der ISO Norm 40500 und wurden auch für die EN 301 549 (europäische Norm) adaptiert.

Der aktuelle Stand der WCAG

2018 wurde mit den WCAG 2.1 der neuste Stand der Richtlinien veröffentlicht. Dieser Standard basiert auf vier Prinzipien für barrierefreie Webauftritte:

  • Wahrnehmbarkeit,
  • Bedienbarkeit,
  • Verständlichkeit und
  • Robustheit.

Jedes Prinzip ist in Richtlinien untergliedert, die jeweils die verschiedenen Aspekten des Prinzips beleuchten. Die verschiedene Erfolgskriterien sind die Richtlinie zugeordnet. Die Erfolgskriterien sind dreistufig aufgebaut (A, AA, AAA). Je höher die Stufe ist, um so mehr Erfordernisse muss ein Webauftritt erfüllen, damit der Webauftritt als Richtlinienkonform angesehen werden kann.

Zur näheren Erläuterung: Das erste Prinzip der WCAG 2.1 ist die Wahrnehmbarkeit. Die Richtlinie 1.4. dieses Prinzips besagt, dass es für Nutzende einfacher gemacht werden soll, Inhalte zu sehen und zu hören. Erfolgskriterien für diese Richtlinie beziehen sich dann etwa auf die Regelung des Farbkontrasts, der Anpassbarkeit von Textgrößen oder die Kontrolle über selbst abspielende Audio-Dateien.

Um eine Stufe erfolgreich zu bestehen, müssen alle Erfolgskriterien dieser und der darunterliegenden Stufe erfüllt sein. Das heißt, ein Webauftritt gilt selbst dann nicht als WCAG 2.1 Stufe A konform, wenn sie hauptsächlich AA und AAA Kriterien, aber nicht alle Stufe A Erfolgskriterien erfüllt. In der WCAG Serie gilt ein Erfolgskriterium entweder als erfüllt oder nicht erfüllt. Es gilt das Pass/Fail – Prinzip. In der EU gilt die Konformität mit der WCAG Stufe AA für alle öffentlichen Webauftritte verpflichtend seit dem 23. September 2020.

WCAG – Zwei neue Standards

Da sich die digitale Welt rasant entwickelt und Anwendungen immer vielfältiger werden, erarbeitet das W3C zeitgleich neue Standards. Derzeit arbeitet unter dem Schirm der W3C eine "Silver Taskforce" genannte Untergruppe der Accessibility Guidelines Working Group (AG WG) zusammen mit der W3C Silver Community Group an der Entwicklung einer völlig neuen Richtlinienstruktur, die die WCAG Serie in ihrer jetzigen Form ablösen soll. Der unter dem Arbeitstitel „Silver“ gehandelte neue Standard, soll im November 2022 ausgefertigt werden. Zeitgleich bis November 2020 arbeitete die AG WG an der Veröffentlichung der WCAG2.2. Es war notwendig, zwei Standards parallel zu entwickeln, da durch technische Neuerungen, wie neue Hardware, Lücken in den WCAG 2.1 entstehen. Diese sollten so früh als möglich geschlossen werden und nicht erst mit der Ausfertigung von „Silver“ 2022.

Die WCAG 2.2 im Überblick

Der erste Arbeitsentwurf der WCAG 2.2 wurde im Februar 2020 veröffentlicht. Die WCAG 2.2 sind strukturell genauso aufgebaut wie die WCAG 2.1. Auch das Konformitätsmodell ändert sich nichts. Jedoch werden neue Richtlinien und Erfolgskriterien hinzugefügt. Mit diese Ergänzungen sollen die möglichen Verbesserungen als Standard definiert werden. Ziel ist es, die Zugänglichkeit zu digitalen Anwendungen und Webauftritten für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Lernschwächen, sowie für Menschen mit wenig Sehvermögen und für Menschen mit Beeinträchtigung, die mobile Geräte nutzen, dauerhaft sicher zu stellen.
Die WCAG 2.1 bleiben als anerkannte Standards bestehen und werden durch die WCAG 2.2 ergänzt. Das W3C empfiehlt den erstellenden Personen digitaler Inhalte, sich stets an die aktuelle Version der WCAG zu halten.

Kritik an den WCAG 2.x

Bei nähere Betrachtung an der WCAG Serie geäußerten Kritik, lässt sich feststellen, dass trotz der wichtigen Ergänzungen, die mittels der WCAG 2.2 erfolgen ein komplett neuer Standard erforderlich ist. Gemeinhin gelte die Struktur der WCAG Serie als komplex. Menschen, die sich mit dem Thema digitaler Barrierefreiheit nicht auskennen, würde damit der Zugang erschwert.

Ein weiterer Kritikpunkt wäre das Fehlen von Argumenten aus der WCAG Serie heraus für Investitionen in die digitale Barrierefreiheit. Dies führe in Verbindung mit der Kritik an der Zugänglichkeit dazu, dass das Thema Digitale Barrierefreiheit für viele Unternehmen unattraktiv sein.

Die Sprache, in der die Erfolgskriterien und deren Erläuterungen formuliert ist, sei für Menschen außerhalb des IKT-Bereichs fast unverständlich. Hinzu käme, dass manche Erfolgskriterien durch technische Weiterentwicklung ihre Eindeutigkeit verloren hätten und damit interpretierbar geworden seien. Einige der angeführten Beispiele hätten an Aktualität verloren haben.

Kritiker sehen das schwerwiegendste Problem jedoch in dem derzeitig angewandten Konformitätssystem. Das bisher angewandte "bestanden/nicht bestanden" Prinzip (Pass/Fail) grenzt jene Menschen aus, deren Bedürfnisse nicht auf diese strikte Art und Weise getestet werden können, womit bisher die Formulierungen von Erfolgskriterien unmöglich erschien. Diesen und weiteren Problemen der WCAG Serie will sich das Word Wide Web Consortium mit dem „Silver“ Projekt annehmen und lösen.

Die WCAG 3.0 / Silver im Überblick

Das „Silver“ Projekt soll Ende des Jahres 2022 als neuer W3C Standard unten den Namen WCAG 3.0 veröffentlich werden. Die Abkürzung steht aber nunmehr für „W3C Accessibility Guidelines“ statt für Web Content Accessibility Guidelines. Die neue Bezeichnung weist darauf hin, dass alle digitale Inhalte, die durch IKT bereitgestellt werden, unter dem Gesichtspunkt digitaler Barrierefreiheitsanforderungen betrachten werden müssen. Gleichzeitig spiegelt die neue Bezeichnung den tiefgreifenden Strukturwandel der Standards im Verhältnis zu der bisherigen WCAG Serie wider. Durch die Beibehaltung des Kurzwortes (WCAG = Web Content Accessibility Guidelines) soll eine schnelle thematische Einordnung gewährleistet werden. Die WCAG 3.0 haben zwar den Anspruch die Inhalte der WCAG 2.x Serie aufzunehmen und zu erweitern, durch die veränderte Struktur wird aber keine Kompatibilität zu den Anwendungsbedingungen der früheren Versionen bestehen.

Design-Ziele für die WCAG 3.0

Die Design-Ziele der „Silver Taskforce" berücksichtigten bei der Erstellung der Richtlinie verstärkt die Perspektiven von Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen. Die auf den Design-Zielen basierenden neuen Accessibility Guidelines begegnen inhaltlich der Kritik an der WCAG Serie. Es soll berücksichtigt werden, dass Menschen ganz individuelle und multiple Bedürfnisse und Anforderungen an digitale Inhalte haben. Dies bedeutet es sind neue Konformitäts- und Prüfstruktur zu erstellen, die zum Beispiel die Bedürfnisse von Menschen mit Sehschwächen und kognitiven Einschränkungen besser abbilden kann. Die „Taskforce“ hat den Anspruch eine große Bandbreite an Interessensvertretungen, Organisationen und Privatpersonen mit einzubeziehen. Hierfür pflegt sie offenen und transparenten Kommunikation auch hinsichtlich ihrer Forschungsergebnisse.

Es ist jederzeit möglich Einblick in die Arbeitsprozesse zu erhalten und der Kontakt zur „Silver Taskforce“, der Silver Community Group oder zur Accessibility Guidelines Working Group steht allen offen. Damit alle Perspektiven in der Erstellung berücksichtigt werden, arbeitet die „Silver Taskforce" aktiv mit Gruppen von Menschen unterschiedlichster Beeinträchtigungen zusammen. Die Richtlinie selbst soll in einfacher Sprache mit verständlichen Definitionen formuliert werden. Die Richtlinie soll mit einen langen Lebenszyklus entwickelt werden und gleichzeitig so flexibel gestalten sein, dass sie an neue Entwicklungen einfach angepasst werden können.

Anforderungen an die Richtlinien der WCAG 3.0

Wie zuvor beschrieben stellt das strikte Prinzip (Pass/Fail) der WCAG 2.x Serie ein Problem dar. Indem die Prüfkriterien nun einzeln Einlass in die Bewertung findet, werden die Richtlinien der WCAG 3.0 hinsichtlich des Grades der Barrierefreiheit realitiätskonformer abgebildet. Die WCAG 3.0 soll in verschiedenen barrierefreien Formaten angeboten und unabhängig vom verwendeten Endgerät genutzt werden können. Die WCAG 3.0 soll strukturell so aufgebaut werden, so dass eine leichte Überführung in Normen möglich sein soll. Damit möchte sie auch Anreize für Unternehmen schaffen, über das gesetzlich geforderte Minimum hinsichtlich Barrierefreiheit hinaus zu gehen.

Das Konformitätsmodell der WCAG 3.0

Das Konformitätsmodell der WCAG 3.0 wertet nach einem Punktesystem. Damit kann die Konformität hinsichtlich der Verschiedenheit von Bedürfnisse flexibler für unterschiedlicher Bereiche eines Webauftrittes oder einer mobilen Anwendung abgebildet werden und wird so der Unterschiedlichkeit von Webauftritten in Bezug auf ihre Komplexität, Größe oder der Integration von Inhalten Dritter gerechter.

Jede einzelne Richtlinie der WCAG 3.0 wird auf einer Skala von 0 (0%) bis 1 (100%) gemessen werden.

Für jede Beeinträchtigungsgruppe (basierend auf der EN301 549) muss ein minimaler Prozentsatz an Erfolgskriterien erreichen werden, damit die entsprechende Richtlinie als erfüllt gilt. So wird garantiert, dass die Richtlinien nicht eine bestimmte Beeinträchtigung bevorteilt.

Nach Punktestand wird die Konformität in drei verschiedenen Stufen gemessen werden: Bronze, Silber und Gold. Diese wurden gewählt, da sie international verständlich sind. Sie verdeutlichen im Gegensatz zu den Konformitätsstufen (A, AA und AAA) das vorhandene Verbesserungspotential. Bei einem Webauftritt der WCAG 2.1 Stufe A, lässt sich ohne zusätzlichen Wissen die Qualität der Stufe A nicht einschätzen. Mit der WCAG 3.0 soll die Bronze Stufe der AA Stufe der WCAG 2.x Serie entsprechen. Dies hat zur Folge, dass unter WCAG 3.0, alle Webauftritte der WCAG 2.x Stufe A als nicht mehr barrierefrei anzusehen sind. Der WCAG 3.0 Standard wird wesentliche Änderungen für die digitale Barrierefreiheit weltweit mit sich bringen.

Für weitere Informationen empfiehlt sich der Internetauftritt des W3C, der „Silver Taskforce“ und der W3C Community Group.