Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik

Digitale Barrierefreiheit – nun auch für ältere Websites verpflichtend

Datum 01.09.2020

Mit dem 23.09.2020 sind die Betreiber von Webseiten öffentlicher Stellen verpflichtet, den Anforderungen an einen barrierefreien Zugang zu ihren Websites, inklusive Intranet und Downloads nachzukommen. Die Frist, um Barrierefreiheit auf Webseiten öffentlicher Stellen umzusetzen, gilt nun für alle Websites.

Die EU-Richtlinie 2016/2102 (über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen) sichert mit dieser Regelung die Umsetzung des barrierefreien Zugangs zu Kommunikation und Information auf Websites.
Diese verpflichtet nicht nur die öffentlichen Stellen des Bundes zur digitalen Barrierefreiheit, sondern auch die öffentlichen Stellen in den Ländern und auf kommunaler Ebene.

„Die EU-Webseitenrichtlinie ist sehr umfassend. Das ist sehr wichtig. Durch die Corona-Krise haben wir gesehen, wie wichtig Information und Kommunikation im digitalen Raum sind. Dies gilt noch viel mehr für Menschen mit Beeinträchtigungen, denn oft ist dies der einzige Weg für sie. Ein digitales Formular kann – wenn es barrierefrei ist – von einem blinden Bürger ausgefüllt werden. Bei Papier ist das nicht möglich“, so Michael Wahl, der Leiter Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund). Doch als „BFIT-Bund prüfen wir jedoch nicht nur, wir helfen und beraten auch bei der Lösung vorgefundener Barrieren“.
Die Verpflichtung zur Barrierefreiheit gilt für die Websites öffentlicher Stellen, die für Menschen von besonderem Interesse sind, zum Beispiel die Service-Angebote der kommunalen Verwaltungen vor Ort wie Bürgerämter, aber auch für die digitalen Angebote der Ministerien und des Parlaments, wie der Arbeitsagenturen und der Jobcenter oder der Deutsche Bahn.
Menschen mit Beeinträchtigungen können sich so selbstbestimmt informieren und Leben autonomer gestalten. Kommunikation und Information, die heute für die Teilhabe an der Gesellschaft entscheidende Faktoren sind, werden zugänglicher. Und nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, die zurzeit beeinträchtigt sind, sondern auch in Vorgriff auf eine alternde Gesellschaft, wird Barrierefreiheit irgendwann für alle Menschen relevant sein.
Um Barrierefreiheit zu gewährleisten, müssen die vier Grundprinzipien der Web-Content-Accessibility-Guidelines (WCAG) bzw. die Vorgaben der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV 2.0), berücksichtigt werden.
Ein Webauftritt muss also wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sein.
Das sind zum einen oft technische Anforderungen aber auch redaktionelle. Texte müssen logisch strukturiert formatiert werden. Die Überschriften und Texte sind ihrer hierarchischen Ordnung folgend mit Formatierung zu versehen und zu ordnen. Bilder oder Elemente wie zum Beispiel Eingabefelder müssen mit einem Alt-Text versehen sein, der einen Hinweis darauf enthalten soll, was mit dem Element vermittelt wird. Im Design sind Kontraste und Schriftgrößen zu beachten.
Bei der Etablierung elektronisch unterstützter Verwaltungsabläufe, einschließlich der Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung ist darauf zu achten, dass die Software, die in den öffentlichen Stellen eingesetzt wird in zweifacher Hinsicht barrierefrei ist.
Michael Wahl führt aus, dass „es sehr wichtig ist, gerade die Software barrierefrei zu gestalten, um für Menschen mit Beeinträchtigung barrierefreie Arbeitsplätze zu schaffen. Hier sollte die öffentliche Hand Vorreiter sein, um die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit einer Beeinträchtigung noch umfangreicher als bisher zu ermöglichen.“ Und gleichzeitig muss die Software zum Stellen und Einreichen von Anträgen, Genehmigungen und Rechnungen für Bürgerinnen und Bürger barrierefrei sein.
Ebenfalls gemäß der EU-Richtlinie müssen öffentliche Stellen „eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit" auf ihrer Website bereitstellen.
Diese Erklärung ist regelmäßig zu aktualisieren und beinhaltet, welche Teile der Website nicht barrierefrei zugänglich sind. Zusätzlich sind die Gründe dafür zu nennen, warum diese Bereiche nicht barrierefrei zugänglich sind und ob Alternativen zur Verfügung stehen.
Der Nutzer soll Mängel, die ihm auffallen, mittels eines in der Erklärung enthaltenen „Feedback-Mechanismus“ dem Betreiber mitteilen können. Hiermit kann er die nicht barrierefrei zugänglichen Informationen in zugänglicher Form anfordern.
Für diesen Feedback- Mechanismus müssen öffentliche Websites eine barrierefrei gestaltete Möglichkeit zur Verfügung stellen, worüber der Nutzer elektronisch Kontakt aufnehmen kann, z. B. also eine verlinkte E-Mail-Adresse.
Die Erklärung zur Barrierefreiheit muss ebenfalls mit einem Link zur Beschwerdestelle versehen sein, womit ein Durchsetzungsverfahren eröffnet werden kann, wenn die Antwort auf die Mitteilung oder Anfrage nicht zufriedenstellend war.
Die Erklärung zur Barrierefreiheit sowie der Feedback-Mechanismus müssen auf Bundesebene und in einigen Bundesländern sowohl in Leichter Sprache wie auch in deutsche Gebärdensprache übersetzt werden.
„Als BFIT-Bund stellen wir auch Best Pratice Beispiele auf unserer Homepage zur Verfügung“.
Unter www.bfit-bund.de finden sich die Erklärung zur Barrierefreiheit, zum Feedback-Mechanismus, jeweils mit den Übersetzungen in Leichte Sprache sowie in deutsche Gebärdensprache. Die Erklärvideos mit Leichter Sprache und deutscher Gebärdensprache verdeutlichen, was Barrierefreiheit bedeuten kann.
„Sprechen Sie uns an, wir sind mental barrierefrei“, meint Michael Wahl, denn „barrierefrei ist einfach einfacher.“