Publikationen - Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik

Fachliche Einordnung von KI-Übersetzungstools für Leichte Sprache

Leichte Sprache ermöglicht einen barrierefreien Zugang zu Informationen für Menschen mit Lernschwierigkeiten. KI-Übersetzungstools versprechen schnelle Ergebnisse, erfüllen jedoch die Anforderungen an Verständlichkeit und gesetzeskonforme Barrierefreiheit bisher nicht vollständig.

Eine fachliche Einordnung dazu, welche Herausforderungen bestehen und welche Rolle menschliche Expertise weiterhin spielt.

Einleitung

Leichte Sprache wurde für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt und verfolgt das Ziel Informationen einfach und leicht verständlich zu vermitteln, um ihnen einen eigenständigen und barrierefreien Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Um diesen Zugang zu gewährleisten, müssen Texte und Informationen an die Bedarfe der Zielgruppe hinsichtlich Lesevermögen und Textverständnis angepasst werden. Bisher wurde diese Arbeit durch spezialisierte Übersetzungsbüros und geschultes Personal ausgeführt. Mit dem Aufschwung der LLMs (Large Language Models) ist die automatisierte Übersetzung durch KI zu einer vielversprechenden Idee geworden, um den aufwendigen Übersetzungsprozess zu beschleunigen und die Kapazitäten der Übersetzungsbüros zu erweitern. Erste Produkte sind bereits auf dem Markt und werben damit, „mit wenigen Klicks“ oder „auf Knopfdruck“ barrierefreie Texte in Leichter Sprache zu erzeugen.

Gekauft werden die Produkte häufig von Unternehmen oder Kommunen, die sich an gesetzliche Vorgaben zur Umsetzung der Barrierefreiheit halten müssen, aber in der Regel keine Fachkenntnisse über Leichte Sprache oder die Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten haben.  Die Anwendenden gehen davon aus, dass sie mit diesen Programmen barrierefreie und den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Texte schnell und kostengünstig erstellen können. Bei genauer Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich jedoch, dass dies nicht der Fall ist: KI-generierte Texte können einerseits einige sprachliche Regeln der Leichten Sprache gut umsetzen und wirken daher auf den ersten Blick leicht verständlich. Andererseits weisen sie bei näherer Betrachtung oft noch große Defizite auf. So werden zum Beispiel Inhalte falsch übertragen oder die Ergebnisse sind für die Zielgruppe Leichter Sprache nicht verständlich.

Kurz gesagt: Ein KI-Tool für Leichte Sprache kann eine technische Unterstützung sein, um Textentwürfe zu generieren, die einzelne Merkmale der Leichten Sprache anwenden. Derzeit können die Tools jedoch kein barrierefreies Ergebnis im Sinne einer zielgruppengerechten und gesetzeskonformen Aufbereitung liefern. 

Begründung

Wir möchten auf einige Punkte hinweisen, um die Versprechungen der Anbietenden transparenter zu machen. Diese beziehen sich auf den Einsatz der Produkte im Allgemeinen und können selbstverständlich nicht den aktuellen Stand der technischen Entwicklungen einbeziehen.

Wie arbeiten menschliche Übersetzende?

  1. Sie identifizieren verständnisrelevante Informationen an verschiedenen Stellen:

    • Text (Inhalt, Kernbotschaft)
    • Kontext (Informationsziel, Anlass)
    • Lebenswelt der Zielgruppe (Was ist für sie besonders wichtig? Welches Vorwissen muss geschaffen werden?)

  2. Sie erstellen auf dieser Grundlage einen neuen, auf die Bedarfe der Zielgruppe angepassten Text, der sich von der Struktur und den Formulierungen des Ausgangstextes unterscheidet, sowie zusätzliche Erklärungen zu Kontext oder Begriffen enthält. In diesem Arbeitsschritt werden die Regeln für Leichte Sprache (DIN SPEC 33429 Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache”) angewendet, um den Text auf Wort-, Satz und Textebene zugänglich zu gestalten.

Inhalte in Leichte Sprache zu übertragen, bedeutet eine Kombination aus Reduktion der Aussagen und neuem inhaltlichen Aufbau. Dies ist ein komplexer Vorgang, der mehrere Merkmale und Ebenen umfasst. Einige Beispiele zum besseren Verständnis:

Textebene

  • Veränderung der Struktur und Reihenfolge
  • Stringenter, logischer Textaufbau
  • Zusätzliche Erklärung schwerer Begriffe
  • Aufgliederung komplexer Informationen in verständliche, leicht nachvollziehbare Einzelschritte

Sprachebene (Wort- und Satzebene)

  • Vereinfachung und Kürzung der Begriffe und Satzstruktur
  • Verwendung alltagsnaher Begriffe
  • Vermeidung von Fremd- und Fachwörtern

Inhaltliche Ebene

  • Reduktion von Inhalten auf Kernaussagen
  • Kontext und Anlass der Übersetzung
  • Herstellung von Vorwissen

Wie arbeitet ein KI-Tool?

Die aktuellen KI-Tools setzen hauptsächlich auf der Sprachebene an und wenden einige Regeln der Leichten Sprache auf die Wort- und Satzgestaltung an. Textstruktur und inhaltliche Ebene werden nach aktuellem Stand nicht zielgruppengenau übersetzt. Genau dies ist das Kernproblem der KI, denn komplexe Themen werden nicht allein dadurch leicht, dass man sie sprachlich reduziert wiedergibt.

Die Qualität der KI-generierten Leichten Sprache ist davon abhängig, ob die KI bereits mit dem Thema des Textes vertraut” ist. Zudem spielt der Ausgangstext eine entscheidende Rolle: Sobald ein Thema komplexer wird oder zusätzliches Hintergrundwissen zum Verständnis erforderlich ist, benötigt ein Text in Leichter Sprache eine neue Struktur. Besonders bei schwierigen Themen ist ein stringenter Aufbau sehr wichtig für das Textverständnis – dies leistet KI aktuell nicht.

Beispiel für nötiges Vorwissen:

Nehmen wir an, ein KI-Tool soll einen Text über das Wahlsystem in Deutschland in Leichte Sprache übersetzen. Menschliche Übersetzende würden zunächst die Kernaussagen identifizieren: Was ist eine Wahl? Wer darf wählen? Wie läuft die Wahl ab? Anschließend würden sie den Text so strukturieren, dass diese Informationen Schritt für Schritt erklärt werden, möglicherweise mit zusätzlichen Erklärungen zu Begriffen wie „Bundestag“ oder „Stimmzettel“. Die KI hingegen könnte zwar die Sätze kürzen und vereinfachen, nach aktuellem Stand wäre sie aber nicht in der Lage, Textstrukturen kontextbezogen verständlich zu generieren.

KI-Tools können darüber hinaus Begriffserklärungen generieren, diese sind in der Regel jedoch weder kontextbezogen noch zielgruppengenau. So kann es vorkommen, dass simple Begriffe erklärt werden, abstrakte Themen aber nicht als erklärungsbedürftig erkannt werden.

Fazit & Ausblick

KI-Tools entwickeln sich rasant weiter und stellen perspektivisch ein erfolgversprechendes Hilfsmittel für die Textproduktion in Leichter Sprache dar. Nach aktuellem Stand gewährleisten sie allerdings keine zielgruppengerechte Übersetzung auf Knopfdruck.

Um die Qualität der Texte in Leichter Sprache, die von KI generiert werden, zu verbessern, sind u.a. folgende Aspekte zu beachten:

  • Leichte Sprache ist mehr als die automatisierte Anwendung einiger sprachlicher Regeln. Textverständlichkeit setzt sich aus mehreren Ebenen und einer Vielzahl von Faktoren zusammen. Die KI adressiert aktuell nur wenige dieser Faktoren und kann daher ohne Nachbearbeitung keine barrierefreien Texte generieren. Sie bietet somit keine sofort verfügbare, fertige Leichte Sprache.
  • Die generierten Texte müssen stets von Menschen geprüft werden.
  • Der Mensch muss Kenntnisse und Fähigkeiten in der Verwendung von Leichter Sprache und im Umgang mit der jeweiligen KI erwerben, um die Ergebnisse der KI beurteilen und bearbeiten zu können.
  • Die Einbindung der Zielgruppe durch die Zusammenarbeit mit Prüfpersonen mit Lernschwierigkeiten ist ein wichtiger Schritt zur dauerhaften Gewährleistung der Barrierefreiheit. Diese sollte auch beim Einsatz von KI-Tools sichergestellt werden.

Die Stellungnahme zum Thema KI-Übersetzungstools für Leichte Sprache als PDF zum Download